Die verschiedenen Gutachten und ihre Anwendungsgebiete:
- Das Privatgutachten
- Das Schiedsgutachten
- Das Gerichtsgutachten
- Das selbständige Beweisverfahren
- Die Fertigstellungsbescheinigung
Privatgutachten
Wie
der Name bereits unschwer erkennen lässt, handelt es sich beim
Privatgutachten um ein Gutachten, das von einem privaten Auftraggeber -
nicht von einem ein Gericht - beauftragt wird. Private Auftraggeber für
ein Sachverständigengutachten können zum Beispiel sein:
- Privatpersonen / Bauherren
- Architekturbüros
- Hausverwaltungen
- Mieter/Vermieter
- Wohnungsbaugesellschaften
- Versicherungen usw.
In
der Regel wird man zunächst - bevor man ein Gericht anruft - einen
Sachverständigen privat beauftragen, um einen anliegenden Streitfall
möglichst außergerichtlich zu klären.
Der Sachverständige geht
mit dem Auftraggeber in der Regel einen Werkvertrag ein und wird vom
Auftraggeber für das Sachverständigengutachten privat bezahlt, das
Honorar ist dabei frei vereinbar.
Während bei einem
Gerichtsgutachten dem Sachverständigen die zu beantwortenden Fragen
bereits vom Gericht vorgegeben sind, muss bei einem Privatgutachten
zunächst geklärt werden, wofür das Gutachten letztlich benötigt wird:
Der Auftraggeber benötigt ggf. die Hilfestellung des Sachverständigen
schon bei der Ausformulierung der zu lösenden Streit- bzw. Fachfragen.
Wenn
es zu einem Gerichtsverfahren kommt, zählt das im Vorfeld erstellte und
dem Gericht vorgelegte Privatgutachten als Parteivortrag. Auch wenn es
durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen
erstellt wurde, hat es nicht das Gewicht eines durch das Gericht selbst
beauftragten Gutachtens. Trotzdem ist ein Privatgutachten mit Sicherheit
keine Fehlinvestition und ohnehin kaum entbehrlich, will man dem Anwalt
bzw. dem Gericht eine begründete, fachlich einwand- und zweifelsfreie
Stellungnahme - beispielsweise zu behaupteten Mängeln - vorlegen.
Schaltet das Gericht dann noch selbst einen Sachverständigen ein, muss
sich dieser in der Regel auch mit dem Privatgutachten auseinandersetzen
und in seine Ausführungen miteinbeziehen.
Schiedsgutachten
Ein
Schiedsgutachten ist eine weitere Variante, eine Einigung ohne ein
Gerichtsverfahren zu erzielen. Beide Konfliktparteien beauftragen
gemeinsam einen Sachverständigen, welcher für sie den Konflikt
schlichten soll. Diese Beauftragung setzt jedoch ein hohes Vertrauen in
die fachliche Kompetenz des Sachverständigen voraus und ist auch nur
dann möglich, wenn beide Konfliktparteien untereinander ein gutes
Verhältnis haben und dieses durch den aufgetretenen Streitfall nicht
belastet wurde.
Das Schiedsgutachten, welches in seinem Kern
nicht anders als ein Privatgutachten aussieht, bindet den Auftraggeber
und die betroffene Gegenpartei, die sich im Schiedsgutachtenvertrag dem
Schiedsgutachten unterworfen haben. Es entscheidet rechtsverbindlich
über Zweifel und Streit.
Selbstverständlich kann es auch von der
Partei, für die es sich nachteilig auswirkt, nicht mehr als
gegenstandslos abgetan und beiseite geschoben werden. Zur objektiven
Klärung von Zweifeln und Streitfragen, die im Rahmen eines
Vertragsverhältnisses auftauchen, ist das Schiedsgutachten ein
hervorragendes und im Regelfall nicht angreifbares Instrument.
Obwohl
das Schiedsgutachten eine Möglichkeit darstellt, den Konflikt
kostenminimierend und äußerst kurzfristig zu lösen, wird diese Variante
der Einigung sehr selten genutzt.
Das Gerichtsgutachten
Ebenso
wie im privatgutachterlichen Bereich wird der Sachverständige des
Handwerks auch als Gerichtsgutachter überwiegend tätig in Verfahren zu
Gewährleistungsrechten über angeblich mangelhaft erfüllte handwerkliche
Leistungen nach dem Werkvertragsrecht (§§631 - 651 des Bürgerlichen
Gesetzbuches - BGB -).
In der Regel geht es um die Begutachtung
der Frage, ob der behauptete Mangel an der werkvertraglich geschuldeten
Handwerksleistung tatsächlich vorliegt, worauf er zurückzuführen ist,
wie und mit welchem Kostenaufwand er behoben werden kann.
Streitigkeiten
über im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Vertragstypen werden vor den
Zivilgerichten (Amtsgericht, Landgericht, Ober- landesgericht,
Bundesgerichtshof) ausgetragen. Die Verfahrensordnung, nach der diese
Streitigkeiten vor den Gerichtsinstanzen abgewickelt werden, ist die
Zivilprozessordnung (ZPO).
Damit der Sachverständige seiner Rolle als
Gutachter in einem Zivilverfahren gerecht werden kann, muss er einige
Grundzüge kennen, nach denen diese Verfahren ablaufen.
Der
Sachverständige erhält entweder direkt vom Gericht oder über die
Industrie- und Handelskammer die Verfahrensakten, in der Regel mit einem
Begleitschreiben in Form eines Vordrucks. Bereits dieses
Begleitschreiben sollte der Sachverständige sehr sorgfältig lesen, denn
es enthält für ihn wichtige Informationen über die Pflichten des
Sachverständigen zu einer möglichst reibungslosen und zügigen
Zusammenarbeit mit dem Gericht. Die Begleitschreiben können von
Bundesland zu Bundesland bzw. schon von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk
in einzelnen Punkten unterschiedliche Inhalte haben.
Das selbständige Beweisverfahren
Auch
ohne Prozess besteht die Möglichkeit das Gericht zur Bestellung eines
öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu veranlassen,
was die an das Gericht zu zahlenden Gebühren, anders als bei einem
aufwendigen Prozess, weitaus verringert.
Ein öffentlich
bestellter und vereidigter Sachverständiger, welcher für das betreffende
Fachgebiet in Frage kommt, kann auch auf Antrag nur einer Partei vom
Gericht bestellt werden. Die beantragende Partei kann dem Gericht einen
Sachverständigen vorschlagen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen,
dass das Gericht zur Bestellung des vorgeschlagenen Sachverständigen
nicht verpflichtet ist und eigenständig einen anderen Sachverständigen
bestellen kann.
Der Antrag der Partei bei Gericht ist nicht wie
in anderen Fällen durch einen Rechtsanwalt zu stellen. Jedoch wäre es
angebracht einen Rechtsanwalt hinzu zu ziehen, da einige Besonderheiten
zu beachten sind.
Um den Konflikt zu begrenzen, ist grundsätzlich
ein selbständiges Beweisverfahren geeignet. Ein aufwendiger Bauprozess
kann vermieden werden, wenn der Sachverständige seine Recherchen
gründlich und korrekt vornimmt und er für beide Konfliktparteien zu
einem nachvollziehbaren Ergebnis kommt.
Der vom Sachverständigen
ermittelte Verursacher des Schadens wird sich fragen, ob es sich trotz
der aus technischer Sicht vorgenommenen Schadenszuweisung lohnt, einen
aufwendigen Bauprozess zu führen.
Diese Entscheidung hängt allein
davon ab, ob er die vom Sachverständigen erzielten Ergebnisse
entkräftigen kann, oder juristische Gründe vorliegen, die eine andere
Risikozuweisung trotz technischer Belastung ergeben.
Die Fertigstellungsbescheinigung
Seit
dem 01.05.2000 gibt es das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger
Zahlungen". Der in das BGB neu eingefügte §641a gibt dem öffentlich
bestellten und vereidigten Sachverständigen unter bestimmten
Voraussetzungen die Möglichkeit, die sogenannte
"Fertigstellungsbescheinigung" auszustellen.
Der Hintergrund
dieses Gesetzes ist, dass in einigen Fällen Zahlungen immer wieder mit
der Behauptung von Mängeln hinausgeschoben werden. Eine Abnahme der
fertigen Arbeiten wird - zum Teil auch trotz mehrerer Nachbesserungen -
immer und immer wieder verweigert, weil, so heißt es, nach wie vor
Mängel vorhanden seien. Hier kann der Unternehmer nun einen
Sachverständigen einschalten, der das Werk auf die behaupteten Mängel
überprüft. Kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass die
angeführten Mängel keine Mängel sind, das Werk also "frei von Mängeln"
ist, ist die Fertigstellungsbescheinigung zu erteilen. Diese steht einer
Abnahme gleich, eine Zahlung kann nicht weiter verweigert oder
hinausgezögert werden. Verweigert der Besteller (Auftraggeber des
Unternehmers) die Untersuchung, wird vermutet, dass das zu untersuchende
Werk vertragsgemäß hergestellt worden ist und die Bescheinigung ist
ebenfalls zu erteilen.
Den Auftrag zur Untersuchung kann
derjenige (öffentlich bestellte und vereidigte) Sachverständige
annehmen, auf den sich beide Parteien geeinigt haben oder der durch
Antrag des Unternehmers von einer Handwerks-, Architekten, Ingenieurs-
oder Industrie- und Handelskammer bestimmt wurde. Auftraggeber des
Sachverständigen ist der Unternehmer, der auch zunächst die Kosten für
die Erteilung - oder auch für die Nicht-Erteilung - der
Fertigstellungsbescheinigung übernehmen muss.